Kleiner Nachtrag zu Tag 3 „Nichts für Weicheier“
Ich muss mich korrigieren, denn ich behauptete fälschlicherweise, dass wir schon zwei Mal eine kurze Nacht hinter uns hatten. Nach den Erfahrungen von gestern auf heute, war die Nacht wirklich kurz. Das Ende des gestrigen Reisetages war geprägt von: war anders geplant…
Tatsächlich hatte die Zugfahrt irgendwann ein Ende. Der Zug war pünktlich und wir steigen aus. Endlich froh die Maske los zu werden, werden mit den Massen aus dem Zug gespült, denn dieser endet in Taschkent. Fühlt sich fast an, wie nach Hause kommen. Um zu verstehen, was uns nun bewegt, ist eine kleine Erklärung notwendig. Taschkent hat zwei Bahnhöfe und der eine ist fast fußläufig zur Unterkunft und der andere – na ja irgendwie – halt am Ende der Stadt. Vorher steht scheinbar nicht wirklich fest, wo der Zug nun ankommt. Vor der Abfahrt hieß es, wir kommen an dem Bahnhof in der Nähe des Hotels an. Wir verlassen den Bahnhof (der sich äußerlich überhaupt nicht von seinem Pendant unterscheidet) und irgendwie denken wir noch: „Da können wir ja zu Fuß zum Hotel gehen.“ In der Regel wartet ein Fahrer auf uns, wenn wir irgendwo ankommen. Dieses Mal nicht. Unser Reiseleiter hängt schon am Telefon, was für uns bedeutet, dass wir um 21:45 Uhr am falschen Bahnhof stehen und der Fahrer halt am-anderen-Ende-der-Stadt-Bahnhof vergebens unsere Koffer in seinen Chevrolet Lacetti räumen will. Wir haben ständig diese leise Stimme im Kopf, die uns voll fies zu ruft „Um fünf Uhr werdet Ihr wieder abgeholt und vorher gibt es noch was zu Essen im Hotel.“ Erstmal muss man ja auch ins Hotel kommen. Unser Fahrer schafft es in etwafünfzehn Minuten zu uns. Zwischenzeitlich ist unsere Stimmung natürlich spitzenmäßig. Nach 22:00 Uhr herrscht glücklicherweise kein allzu großer Verkehr mehr, sodass wir etwa nach weiteren fünfzehn Minuten am Hotel sind. Dort noch schnell einchecken und dann wollten wir direkt in Richtung Speisesaal aufbrechen. Wir werden fast barsch zurückgerufen. Man wolle uns doch unser Zimmer zeigen. Etwas entnervt folgen wir in den 3. Stock. Raum 302 liegt direkt neben dem Aufzug. Es kommt ein bisschen Stress auf. Essen, Koffer aus- und wieder einpacken, Blogartikel versuchen hochzuladen, oder gar sowas wie Körperpflege. Die Uhr tickt. Unser Portier stockt kurz vor der Tür von Raum 302 und öffnet sie trotzdem. Upsi – dieses Zimmer ist wohl belegt. Er entschuldigt sich, sagt er kommt gleich zurück und verschwindet im Aufzug. Ein ungemeiner Stimmungsaufheller. Mich ärgert das deutlich mehr als Sabrina. Ich hab keinen Bock mehr und will ins Bett. Wir warten und nach kurzer Zeit öffnen sich die Aufzugtüren und wir steuern auf Zimmer Nummer 308 zu. Ganz im Gegensatz zu Zimmer 302 ist hier die Tür weit geöffnet, alle Fenster stehen auf und werden teilweise von einem Stuhl offen gehalten. Upsi – dieses Zimmer ist wohl auch nichts für uns. Tick Tack. Ich bin schon dermaßen resigniert, dass ich mich erstmal auf einem Sessel vor dem Aufzug einrichte, denn der Portier verschwindet erneut mit entschuldigenden Worten im Aufzug. Sabrina harrt tapfer an Zimmer 308 aus. Währenddessen nutzen wir das WLAN aus. Der Portier erscheint erneut. Neuer Versuch Zimmer 306. Erstmal erscheint alles unauffällig, die Tür ist zu und das Zimmer scheint verlassen. Die Uhr tickt. Wir diskutieren darüber, ob wir jetzt überhaupt noch Bock haben noch mal runter zu gehen, um was zu Essen. Ich bin dermaßen drüber, dass mir grade alles egal ist. Sabrina überredet mich doch noch was zu Essen, denn Frühstück wird es nicht geben, wie wir wissen. Wir gehen wieder runter und hoffen, dass unsere Suppe fertig ist. Der pompöse Frühstückssaal wird damit zur Stube für unseren Mitternachtsimbiss. Zum Glück kommt direkt der bestellte Salat und gleich darauf die Suppe. Entweder schmeckt es so gut, weil wir ausgehungert sind, oder weil es einfach schmeckt. Während wir sprichwörtlich die Suppe aus Fehlplanungen, Zufällen und Champignons ausgelöffeln, kommt Regung ins Personal. Die Küchentür schwingt auf und ein weiterer Gang, den wir eigentlich abbestellt hatten, erreicht in Form von zwei Stücken Karottenkuchen unseren Tisch. Zwischendurch kommuniziert Sabrina mit der Heimat und ich versuche fluchend den letzten Blogartikel hochzuladen. Hoffentlich kommen nicht noch mehr Gänge… Die Uhr tickt. In der Regel lassen wir uns mehr Zeit beim Essen, aber jetzt schlingen wir alles rein. Ab ins Zimmer, notdürftige Katzenwäsche, Koffer und Taschen so packen, dass man fliegen kann und dann Licht aus. Zum letzten Mal schaue ich um Punkt Mitternacht auf die Uhr. Kurzer Powernap, der um 04:15 Uhr endet. Krempel wieder einpacken und dann brechen wir in Richtung Flughafen auf. Mein bisheriger Lieblingsfahrer holt uns ab und bringt uns zum Terminal.
Applaus für Uzbekistan Airways
Das Domestic Terminal von Taschkent ist überschaubar und für diese Uhrzeit bereits gut gefüllt. Wir stellen uns erneut genau in die Schlange, wo es am längsten dauert. Alle anderen konnten bereits woanders einchecken, nur wir halt nicht. Irgendwann gelingt es uns doch und kurze Zeit später sitzen wir in der Abflughalle. Sabrina knipst ein paar schöne Fotos vom Sonnenaufgang, während ich sitzen bleibe und schon mal ein paar Gedanken niederschreibe. Es gibt in der einzigen Abflughalle nur 4 Gates und trotzdem schaffen wir es uns falsch anzustellen. Typisch. Im Flieger angekommen, verliere ich ziemlich schnell meine Skepsis gegenüber der usbekischen Airline. Super nettes Personal, bequeme Sitze und eine top gepflegte Maschine. Sorry Turkish Airlines – der Inlandsflug hat Eure Langstrecke abgehangen. Es gab vor der Start Wasser und während des Fluges erneut Getränke. Ich bin mehrfach eingedöst. Ach so – der Flug ging übrigens von Taschkent nach Urganch. Das liegt in der Provinz Xorazm. Neuer Flughafen, neuer Fahrer, neue Entdeckungen. Dieses Mal werden wir nicht gefragt, ob wir lieber mit offenem Fenster oder Klimaanlage fahren wollen. Die Klimaanlage kommt sofort zum Einsatz. Ich denke, dass gibt eine Indikation zur Temperatur…



Auf den Spuren von Indiana Jones
Heute standen zwei archäologische Ausgrabungsstätten auf dem Plan und ein Mittagessen in einer Jurte. Klingt irgendwie nach Abenteuer. Allein schon die Straßenverhältnisse lassen sich als solches beschreiben. Man liest verschiedentlich in Reiseführern, dass die Straßenverhältnisse zu wünschen über lassen. Jau- dem würde ich mehr als zustimmen. Deswegen fährt der Usbeke aber keinen Allradwagen. Ein weißer Chevrolet tut es auch. Dieses weiße Schlachtross bringt uns über einen Weg, der ein Flickenteppich aus Straße ist, raus aus Urganch mit Ziel Tuproq Qual‘A. Auf dem Weg dorthin fahren wir in die Provinz Karakalpakstan. Genauer gesagt nach Südkarakalpakstan. Bei diesen Namen denke ich nun wiederum nicht an Herr-der-Ringe, sondern an Star Wars. Karakalpakstan könnte irgend so ein abgelegener Planet im Outer Rim sein. Dies ist die erste Ruine, die wir uns anschauen, die bereits aus der Ferne zu erkennen ist. Nicht zum ersten Mal denke ich an Marokko in diesem Urlaub. Diese Perser haben eben überall auf der Welt Ihre Spuren hinterlassen. Außer uns ist weit und breit niemand zu sehen und wir befinden uns mitten in der Pampa. Vor ein paar Treppenstufen halten wir an und beginnen mit dem kleinen Aufstieg. Da bin ich noch mutig ohne Kopfbedeckung unterwegs. Die Hitze ist mir wohl schon im Auto zu Kopf gestiegen… Die Treppenstufen nehmen irgendwie doch kein Ende und bei knappen 40 Grad komme ich recht schnell aus der Puste. Oben angekommen hat man eine herrliche Weitsicht. Kein Wunder, dass eine solche Anlange, an solch einem Platz gebaut wurde. Unser exklusives Erlebnis währte nur kurz, denn dann hat ein Kleinbus Touristen ausgekippt. Wir mit unserem Privatreiseleiter haben uns eben schon daran gewöhnt. Davon abgesehen gibt es in Usbekistan zwar Touristen, aber wir sind größtenteils immer der gleichen Gruppe begegnet. Das ist jammern auf sowas von hohem Niveau. Jedenfalls hatte diese Siedlung im 1. Jahrhundert etwa 2.500 Einwohner. Die Dimension kommt auf den Fotos, wie üblich, nicht so ganz rüber. Der damalige Herrscher hat sich eine ganz passable Hütte mit über 100 Räumen eingerichtet. Das Foto im Reiseführer unterscheidet sich deutlich vom heutigen Aussehen, denn der Wind, der auf diesem Hügel herrscht und die Erosion haben einen Großteil bereits abgetragen. Der starke Wind täuscht über die Hitze hinweg. Zurück im Auto stellen wir fest, dass eine Kopfbedeckung beim nächsten Stop wichtig ist. Sabrina fragt, ob ich mich denn überhaupt eingecremt hätte…












Next stop Wüstenfestung Ayaz qala und Kopfstand in der Jurte
Weiter poltert das weiße Schlachtross durch das Outer Rim. Der Plan sieht vor, dass wir die zweite Festung besichtigen und dann in einer Jurte zu Mittag essen. Dieses Mal sind wir dem Essen nicht so abgeneigt wie sonst, weil wir kein Frühstück hatten. Ayaz qala sind die Ruinen einer ehemaligen Festungsanlage, die sich aus einem Erdhügel in der Wüste erhebt. Indiana Jones hätte seine Lederjacke nach 30 Sekunden ausgezogen. Auf dem Weg wandelt sich die Steppe mehr in eine Wüstenregion um. Wir folgen einer Straße die sich endlos lang vor uns ausbreitet. Der Horizont lässt sich nur flimmernd in der Ferne erahnen. Die Fantasie geht mit einem durch. Am Horizont zieht gemächlich eine Karawane vorbei. Selbst durch die Autoscheibe brutzelt mein Arm in der Sonne. Wie gut, dass ich zwei Kopfbedeckungen dabei habe, von denen mir eine nicht mehr passt und der zweite Hut irgendwo in den Unweiten meines Koffers verschollen ist. Da bleibt nur das Czech aus Marokko, denn das kommt mit solchen Temperaturen bestens klar. Dieses habe ich in weiser Voraussicht in den Handgepäcksrucksack gepackt. Langsam nähern wir uns dieser imposanten Festung, von der noch ein größerer Teil erhalten ist. Wir steigen an einem Parkplatz aus und mir verschlägt die Hitze fast den Atem. Ich denke, dass mich das Czech schon schützen wird. Wir müssen ein Stück gehen, um vom Parkplatz den Erdhügel zu erklimmen. An und für sich nicht schlimm, aber in dieser Hitze komme ich nur langsam voran (#dieerbseimvakuum). Auf dem oberen Plateau angekommen frage ich mich, wie hier überhaupt jemand freiwillig wohnen kann. Unser Reiseleiter teilt fleißig sein Wissen und so kann ich es mir doch vorstellen. Dann wäre ich doch super gerne dorthin gereist. Nach einem kleinen Rundgang steigen wir wieder hinab. Das Mittagessen ruft. Vor der Jurte können wir uns die Hände waschen und beim Blick in den Spiegel sehen wir zwei Menschen die beide einen hochroten Kopf haben. Vor dem geistigen Auge sehe ich mich schon in einem usbekischen Supermarkt umherirren, weil ich auf der Suche nach Quark bin… Uns wird eine Jurte geöffnet und dort wartet bereits ein gedeckter Tisch mit allerlei Köstlichkeiten. Gleichzeitig mit uns ist eine usbekische Reisegruppe in der Jurte und weil wir eben die Exoten sind, sitzen wir schon alle beisammen und lächeln freundlich, aber mit hochroter Birne, in die Kamera. Wir waren quasi teil der Attraktion. Hihi. Ansonsten bin ich erstmal einfach nur platt und habe das Gefühl, dass ich gleich komplett zerfließe. Nach etwa zwanzig Minuten hat sich mein Körper beruhigt und meine Gesichtsfarbe nähert sich wieder dem Normalzustand an. Darauf erstmal einen schönen heißen Schwarztee und eine wohlschmeckende heiße Gemüsesuppe. Wir bekommen wieder ein typisch usbekisches Mittagessen. Unser Guide kennt uns inzwischen gut genug, dass er für ein rein vegetarisches Mittagessen gesorgt hat. Danach chillen wir noch eine Weile, bevor es zurück in die Provinz nach Xorazm mit Ziel Chiva. Dort übernachten wir direkt in der Altstadt und sind umgeben von historischen Gebäuden und Denkmälern. Den Rest des Nachmittages haben wir „frei“. Wir krempeln daher die Arme hoch und waschen erstmal ne Runde ein paar Klamotten durch. Eben unter die Dusche und dann machen wir uns auf die Suche nach Postkarten. Dafür bleibt nicht all zu viel Zeit, denn natürlich sind wir für 18:00 Uhr zum Abendessen eingeplant. Uns erwartet ein 4 Gänge Menü, was uns schon wieder zu viel vorkommt, aber auch hier kommen wir fleischlos davon. Chiva werden wir Morgen den ganzen Tag zu Fuß erkunden. Wir sind sehr gespannt. Nach dem Abendessen haben wir die Dachterrasse gesucht und gefunden. Eine Wahnsinns-Aussicht, die man da hat. Der Sonnenuntergang hätte besser nicht sein können. Morgen gibt es mehr von Chiva.














Erkenntnisse Tag 4
Usbekiztan Airways ist meine neue Lieblingsairline.
Bei einem 1,5 Stundenflug wird zwei Mal Wasser serviert.
Klatschen bei der Landung ist in Zentralasien weit verbreitet und wirkt auf uns komisch.
Die Seidenstraße, auf der wir heute unterwegs war, hat uns wieder eine neue Facette vermittelt, die sich sehr von dem bisher Erlebten unterscheidet.
Unser Reiseleiter hat verstanden, dass wir gerne vegetarisch essen. Ein richtiger Durchbruch könnte man sagen.
Wenn unser Reiseleiter eine Zeitangabe macht, dann sollte diese stets verdoppelt werden und man kommt in etwa hin.
Wir hatten heute zum ersten Mal zwei Stunden zur freien Verfügung.






























































































































































































































































