Upsi
Erstmal darf ich ein paar Fakten grade ziehen. Ich weiß seit gestern, dass ich Quatsch mit Soße verkündet habe. Dabei geht es um die Bezeichnung des Fürstentitels. Fälschlicherweise habe ich behauptet, dass Han und Khan zwei paar Schuhe sind. Fehlanzeige. Khan ist eine Schreibweise für diesen Titel und Han hört sich das ausgesprochen an, oder vielmehr Chan. Reines Wunschdenken, dass Han Solo und der Übeltäter Khan in Usbekistan Hauptrollen gespielt habe . 🤷🏼♀️ Schade, ist aber so.
Von der Sauna in den Kühlschrank
Es scheint, dass die Hitze für mich zu einem ähnlich wichtigen Thema wird, wie die Gastfreundschaft. Um etwa drei Uhr wache ich in der ersten Nacht in Xiva schweißgebadet auf. Völlig entnervt denke ich ans Schlimmste und vermute Fieber. Erstmal aufstehen und checken. Die Anzeige auf dem Fieberthermometer würde eher empfehlen, dass ich mir Jacke, Mütze und Schal anziehe. Kurzer Check bei Sabrina – die schwitzt sich auch eins ab. Wir beschließen die Klimaanlage anzuwerfen. Unser Zimmer verwandelt sich binnen kürzester Zeit von einer Sauna in einen etwas zu warm eingestellten Kühlschrank. Sehr wohltuend.
Mitten rein ins Märchen
Ich nehme Euch mit, in diesen mit Wissen vollgepackten Rundgang durchs märchenhaften Xiva. Bequeme Schuhe anziehen, eincremen nicht vergessen, zwanzig Liter Wasser in den Rucksack räumen und eine Kopfbedeckung einpacken. Ein Fächer macht sich auch gut. Heute soll es heiß werden.

Ein Khan, der mit den Augen spricht
Unser Reiseleiter empfängt uns, nach einem Frühstück mit klassischer Musik, und wir starten unsere Erkundung von Xiva direkt vor der Haustür. Das Hotel liegt mitten in der historischen Altstadt, die Weltkulturerbe-Status hat. Nach einem kurzen Fußmarsch treffen wir auf einen weiteren Guide, der uns heute die Schönheiten von Xiva näher bringen wird. Da wissen wir noch nicht, dass wir mit der Person unterwegs sind, die in Xiwa alle zwei Meter jemandem die Hand schüttelt, dessen Handy ununterbrochen klingelt, der Schlüssel für diverse Räume in der ganzen Stadt hat und jemandem und der mit seinen Augen sprechen kann. Um uns erstmal zurechtzufinden starten wir vor einer Karte, die uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in der Altstadt zeigt.



Kalta Minor
Ist ein unfertiges Minarett, welches trotzdem stolze 29 Meter hoch ist und einen Durchmesser von 14,2 Metern aufweist. Der damalige Khan ist beim Bau gestorben. In solchen Fällen ist es untersagt ein Gebäude, was der Verstorbene begonnen hat, zu vollenden. Das lässt man dann lässt halt so. Es gibt verschiedene Theorien wie hoch das Minarett mal hätte werden sollen. Es wurde errechnet, dass bei 14,2 Metern Durchmesser eine maximale Bauhöhe von 140 Metern hätte rauskommen können. 29 Meter sind schon beeindruckend.

Polon Qoriy
Dieses Gebäude wirkt etwas untypisch von der Architektur her und es kommt auch gänzlich ohne Fliesen aus. Dieses Gebäude gehörte einem Stoffhändler, der viel in Europa unterwegs war. Der Khan war nicht nur der oberste Chef, sondern gleichzeitig auch das Bauamt. Er genehmigte schließlich den Bau dieses Komplexes.

Ko’hna Ark Saroyi
Dieser riesige Palast liegt direkt gegenüber des europäisch anmutenden Gebäudes. Es gibt einen äußeren und inneren Teil der Festung, die dem Khan gehörte. Davor befindet sich ein Platz, der für politische Bekanntmachungen aller Art genutzt wurde. Statt einer Twitternachricht ließ der Khan auf der Trompete spielen, damit alle Bescheid wussten, dass es was Neues es gibt. Dann strömten alle herbei und konnten sich die News abholen. Wie das bei Versammlungsplätzen so üblich ist, war dieser Platz gleichzeitig der Schauplatz, wenn es um Folterungen und Hinrichtungen ging.

Ko’hna Ark Saroyi – innerer Teil
Die Festung entstand etwa im 1600 Jahrhundert und wurde diverse Male erobert. Wenn man das Eingangsportal durchschreitet erblickt man im Innenhof diverse Ruinen. Diese gab es vor der Pandemie nicht 😱. Die Ausgrabungen dauern an. Man hat ein Gefängnis, eine Staatskammer und Wohnstätten der Versire freigelegt. Nebst einem Badehaus für den Khan. Auf der gegenüberliegenden Seite sieht man heute drei Nischen. Früher waren dies Zimmer, um zu prüfen, wer denn da eigentlich in den Palast wollte und damit sich Gäste ausruhen konnte. Die Sowjets haben die Zimmer geschlossen.


Wir arbeiten uns tiefer in den Palastkomplex vor und treten nach einem Durchgang hinaus in einen weiteren Innenhof, in dem sich die Sommermoschee befindet. Ein unglaublicher Anblick in blau. Auf den Kacheln finden sich arabische Buchstaben in persischer Sprache. Das Design der geometrische Figuren und floralen Mustern in den Farben, weiß, blau und türkis sollte die Nerven beruhigen. Die vielen Fliesen wurden neben Gips mit 12 cm Nägeln befestigt. Beim Brennen der Fliesen wurde dafür bereits ein Loch in der Mitte berücksichtigt, da diese sonst kaputt gehen würden, wenn man versucht einen Nagel einzuschlagen.




Als Khan ist man gleichzeitig auch Bank und prägt seine eigene Knete. Wir lassen uns erklären, wie die damalige Währung entstanden ist. Next stop Münzprägerei. Auf der eine Seite einer Münze steht der Name des Khan und auf der anderen Seite der Name Gottes. Papier war früher Mangelware. Da hat man kurzerhand Geld aus Seidenstoff mit Hilfe von Druckplatten hergestellt. Einige Münzen hatten ein kleines Loch. Da konnte man sein Geld auffädeln und dies wurde als Portmonee verwendet. An der Wand läuft auf einem Fernseher ein kleines Erklärvideo und wer kommt uns da bekannt vor? Richtig unser Guide. Als wir Ihn im Video erkennen dämmert uns, dass wir mit einer wichtigen Person unterwegs zu sein scheinen.





Wir treten auf einen weiteren Innenhof. Auf den runden Erhebungen wurden im Winter Jurten aufgestellt. Im am Hof angrenzenden Empfangsraum durfte man dem Khan sein Anliegen vorbringen, wenn das Wetter schlecht war. Der Raum hat drei Türen. Es gibt eine klare Regelung, wer durch welche Tür eintreten darf. Eine Tür ist nur für den Khan. Die mittlere für Stellvertreter und Familie und durch die letzte darf der Pöbel rein.


Qozixona XIX Asr
Nächster Halt: Folterkammer. Wir verlassen den imposanten Palastkomplex und kehren direkt daneben ein. Da ist es schön kalt drin und wir schauen uns verschiedene Bestrafungs- und Tötungsmethoden an. Die Palette reicht von pfählen, lebendig mit dem Kopf voraus begraben werden, vom Minarett geworfen zu werden, ausgepeitscht, aufgehangen oder gesteinigt zu werden.

Muhammad Rahimxon II Madrasi
Danach treten wir wieder hinaus in die Hitze und machen uns auf den Weg in ein Museum, welcher früher eine Koranschule war. Das Tor stammt es dem Jahr 1871. Es gibt ebenfalls einen äußeren und inneren Hof. Außen wohnten und lernten die Schüler in 81 Wohnzellen. Die Studis hatten zur Finanzierung einen eigenen Acker, um Essen anzubauen und zu verkaufen und um das Studium zu finanzieren. Unsere Guide erklärt uns, dass es eine ehrliche Zeit war. Es gibt eine überlieferte Geschichte. Ein Schüler hatte eine Frage an seinen Lehrer, der sich gerade mitten im Studium befand. Zu jener Zeit wurden Öllampen als Schreibtischlampen genutzt. Einmal hatte der Lehrer eine Öllampe, die ihm vom Khan zur Verfügung gestellt wurde und eine private Öllampe. Als der Schüler seine Frage stellte, löschte der Lehrer die Öllampe des Khan und zündete seine eigene Lampe an. Er erkläre dem fragend drein blickenden Schüler, dass dies keine Angelegenheit sei, die Ressourcen des Khan zu vergeuden, sondern eben einfach eine Frage eines Schülers an seinen Lehrer. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Geschichte richtig wiedergebe. Das ist, so denke ich, auch gar nicht der Punkt, denn die Botschaft ist klar.



Juma Masjid X – XVII Asrlar
Wie gehen ein paar Straßen weiter und kommen zur tausendjährigen Moschee. In der Nähe steht ein Minarett von 47 Metern Höhe und 81 Stufen. Das ist bisschen schief, weil das Erdbeben aus 1966 (#tashkent) nachgeholfen hat. In der beeindruckenden Moschee angekommen, hören wir die Geschichte über einen arabischen Reisenden namens al Masri. Der kam auf seinen Reisen hier vorbei und erwähnte diesen Ort in seinem Reisetagebuch. Jedoch ohne Angabe wie viele Säulen – es gibt insgesamt 213 Säulen – er sah. Mittendrin steht ein kleines kuppelförmiges Häuschen. Das ist eine Art Geschenkplatz. Da ließen reiche Leute mitgebrachtes Essen, welches arme Leute wiederum mitnehmen konnten. In dieser Moschee haben bis zu 3.000 Menschen Platz.




Sayyid Islom Xo’ja Madrasi
Zum nächsten Komplex den wir betreten, gehört ein Minarett, eine Medrese und eine Moschee, die einem Stellvertreters eines Khans gehörte: Sayyid Islom Xo‘ja. Dabei handelt es sich um das höchste Minarett Usbekistans mit 57 Metern und 118 Stufen. Es wird heute als Museum genutzt.





Me’Morchilik Yodgorligi Pahlavon Mahmud
Letzter Stopp vor dem Mittagessen. Wir besuchen das Haus von Me’Morchilik Yodgorligi Pahlavon Mahmud. Er wurde mit Erlaubnis des Khans zu Hause begraben. Er war ein sehr bekannter Ringer, Kürschner und ebenfalls Dichter. Verheiratet war er nie, weil er glaubte, dass lenkt ihn ab.

Keiner hat Hunger, gegessen wird trotzdem
Nach vier Stunden Dauerberieselung essen wir ausnahmsweise mal in einem Tourischuppen zu Mittag. Schmecken tut es trotzdem. Inzwischen zahlen wir selbst für unser Mittagessen und sind entsetzt, dass wir 100.000 SOM für eine Flasche Wasser, 2 Kannen Tee, Brot, zwei Suppen, ein Hauptgericht und Desert zahlen sollen. Das sind umgerechnet etwa 10 Euro. Sonst zahlen wir eher 4 Euro. 🤪
Nach der Mittagspause starten wir erstmal locker und sind in irgendeiner Seitenstraße, wo die Originalsteine erhalten ist. Die Platten sind zwischen 30 – 50 cm. Warum? Damit die Gebäude sich nicht zu nahe kommen. Ziemlich einfache und einleuchtende Antwort.

Tosh Hovli Saroy
Eine Palastanlage, die Ihres gleichen sucht. Man nennt ihn auch den Steinpalast, oder den Labyrinth-Palast. Wir finden schnell heraus, dass Labyrinth es gut trifft. Steinpalast deswegen, weil für den Bau des Palastes die umliegenden Steine verwendet wurden. Es gibt 3 Eintrittstore und ein extra Gästehaus in blau, mit überwiegend Originalfliesen. Hier konnten 4 Gäste empfangen werden. Die Dicke der Wände kann bis zu einem Meter sein – daher ist es schon kühl. Interessanterweise oder besser gesagt, unglaublicherweise stammen alle Fliesen von einem! Handwerker namens Abdullah. Deswegen erhielt er den Beinamen Djin, denn dass er alle Fliesen alleine hergestellt hatte, konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Der Palast hat 163 Räume. Wir treten in einen weiteren kleinen Innenhof. Unser Khan von Xiva (= unser zusätzlicher Guide) hat dort nämlich einen Maulbeerbaum gepflanzt, welcher die Feuchtigkeit aus den Wänden ziehen soll. Er nennt den Baum liebevoll die Verliebten, weil die Wurzeln eng umschlungen sind. Spätestens da war für uns wirklich klar, dass wir mit el Jeffe aus Xiva auf Tour sind. Es gibt ein paar Abflüsse in den Höfen, die in eine Art Kanalisation führen. Aber richtig wissen, tut es niemand.









Am Ende schauen wir uns eine weitere Entdeckung an und statten dem Mennoniten Museum einen Besuch ab, die hierher kamen, weil sie Ihre Ruhe haben wollte. Der damalige Khan schenkte Ihnen 50 Hektar Land.
Abendessen und Melonenfest
Bevor wir zum Abendessen abgeholt werden, werden zu einem Aperitif in unserem Hotel eingeladen. Wie können zwischen Rot- und Weißwein und Vodka wählen. Wir entscheiden uns für Weißwein, der bei über 30 Grad Außentemperatur ordentlich reinzwiebelt. Da fällt die Wortwahl kurzzeitig schwer. Hihi. Zum Abendessen sind wir erneut in einer Art Tourischuppen, wo außer uns nur eine andere deutsche Reisegruppe ist. Das rein vegetarische Essen ist mal wieder vorzüglich und im Anschluss lassen wir uns das jährlich stattfindende Melonenfest der Region nicht entgehen. Es sollen später nämlich auch Melonen verschenkt werden. Das spornt unseren Reiseleiter zur Höchstform an. Sabrina kommt den ganzen Abend nicht drauf klar, dass es diese Veranstaltung für Melonen gibt und ich bin mit den Menschenmassen schier überfordert. Zunächst ziehen wir ohne Melonen und Reiseleiter zurück ins Hotel. Wir gehen (natürlich absichtlich) einen Umweg, sodass wir grade am Hotel ankommen als unser Reiseleiter mit zwei Melonen unter dem Arm eine für uns an der Rezeption abgeben will. So konnten wir „Bob“ gleich selbst in Empfang und mit aufs Zimmer nehmen. Ihr fragt Euch warum man mit einer Honigmelone namens Bob, der mindestens zwei Kilo wiegt durchs Land reist? Gute Frage – die beim nächsten Artikel aufgelöst wird.


Fun Facts
- Es gibt Brotstempel. Die sind eine Art Wappen oder eben eine coole Gorm des Branding. Man weiß so, wo das Brot herkommt.
- Minarette in der Nähe der Festung des Khan mit Harem sind sehr klein, weil niemand von außen über die Mauer gucken durfte.
- Die Portale sind meist aus Ulmenholz.
- Türen sind extra klein, damit man sich beugen muss.
- Tübbeteken (Lautschrift) waren früher bis zu 3 kg schwer. Das ist so eine Kopfbedeckung aus Fell, die wie ein Pouf für den Kopf aussieht. Lustige Geschichte : Wenn der Vater nach Hause kam, warf er seinen Hut. Hat das Mädchen den Hut aufgefangen, war sie heiratsfähig, falls nicht, dauerte es noch bis sie verheiratet werden konnte.
- Die Gastfreundschaft kennt keine Grenzen. Hier werden alte Türen rausgerissen um sie dem Museum zur Verfügung zu stellen.
- Hier wurden bei einigen Medresen und anderen Gebäuden Horizontalsperren entweder aus Schilf oder Granit verwendet, um die Feuchtigkeit fernzuhalten.
- Eine Medrese ist eine Koranschule mit eingebautem Studentenwohnheim. Dort wurde hauptsächlich der Koran, Theologie und ein paar andere Fächer gelehrt. Es konnte sein, dass auf dem Gelände auch die hohen Handwerkskünste, wie z. B. die Holzschnitzerei zu erlernen war.
- Es gibt viele Brunnen in der Altstadt. In Chiva haben viele Karawanen „halt gemacht“ und auf so einer anstrengenden Reise braucht man ne Pause. Da das Wasser in Chiva so gut geschmeckt hat, ertönte oft der Ausruf: „Hei wa“ (in Lautschrift), was soviel bedeutet wie „leckeres Wasser“. Im weiteren Verlauf der Geschichte wurde daraus dann Xiva.
Vokabeln
Darvoza - - Tor
Tosh - - Stein
Ota - - Großvater
Bog'Cha - - Gärtchen
Polvon - - kräftige Männer
Lorkomli ischtaha (in Lautschrift) - - Guten Appetit
Torrre (Lautschrift) - - richtig
Xayr (gesprochen wie Hajer) - - Auf Wiedersehen
Rachmat (Lautschrift) - - Danke
Erkenntnisse an Tag 5
- Mit Klimaanlage schlafen ist blöder, als ich dachte.
- Blog schreiben macht ungesellig.
Dieser Blogartikel hat mich echt Nerven gekostet, aber der Reiseführer für Xiva ist dann wohl fertig. 🤪

Ich freue mich auf die Melonen Auflösung 🙂
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